Melatonin ist derzeit in vielen frei verkäuflichen Sprays, Tropfen oder Tabletten erhältlich – doch wie gut helfen diese Präparate wirklich beim Einschlafen? Unsere Schlafexperten fassen den aktuellen Stand der Wissenschaft hier für Sie zusammen.
Melatonin boomt – doch was sagt die Forschung?
Schlafprobleme gehören zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden in Deutschland. Kein Wunder also, dass der Markt für frei verkäufliche Schlafmittel wächst: Allein in Deutschland liegt der Umsatz bei rund 350 Millionen Euro, etwa die Hälfte davon entfällt auf Melatonin-Produkte.
Melatonin ist ein natürlicher Botenstoff, der den Tag-Nacht-Rhythmus steuert und den Körper auf den Schlaf vorbereitet. Viele greifen daher zu Sprays, Tropfen oder Dragees, um leichter einzuschlafen – doch die wissenschaftliche Datenlage zeigt ein differenziertes Bild.
Was Melatonin leisten kann – und was nicht
Mehrere große Metaanalysen und Leitlinien bestätigen, dass Melatonin die Einschlafzeit im Durchschnitt um etwa sieben Minuten verkürzt und die Gesamtschlafdauer, im Vergleich zu Placebo, um rund acht Minuten verlängert.
Auch die subjektive Schlafqualität verbessert sich etwas, bleibt aber deutlich hinter den Effekten klassischer, verschreibungspflichtiger Schlafmittel zurück.
Positiv ist: Es gibt keine Hinweise auf Abhängigkeit oder Toleranzentwicklung, und Melatonin gilt insgesamt als gut verträglich.
Am besten wirkt es, wenn die Ursache des schlechten Schlafs im verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus liegt – etwa bei Schichtarbeit, Jetlag oder einer zirkadianen Rhythmusstörung.
Für wen kann Melatonin sinnvoll sein?
Die Forschung zeigt den größten Nutzen für folgende Gruppen:
- Menschen mit Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, etwa dem „Delayed Sleep-Phase Syndrome“ (DSPS) oder einem non-24-Stunden-Schlaf-Wach-Rhythmus bei Blindheit
- Ältere Personen über 55 Jahre mit Ein- und Durchschlafstörung, wenn das Präparat zeitlich korrekt vor dem Schlafengehen eingenommen wird
- Kinder mit neurologischen oder psychischen Erkrankungen wie ADHS oder Autismus, bei denen die körpereigene Melatonin-Produktion gestört ist
- zur Vermeidung von Jetlag
Internationale Leitlinien empfehlen Melatonin daher vor allem bei zirkadianen Störungen; bei klassischer Insomnie sollten Risiko und Nutzen einer Einnahme individuell abgewogen werden.
Grenzen und Risiken von Melatonin-Präparaten
Bei ansonsten gesunden Erwachsenen mit „gewöhnlichen“ Einschlafproblemen sind die Effekte meist mild und individuell unterschiedlich.
Zudem können Placebo-Effekte eine Rolle spielen: Viele spüren eine Verbesserung, die sich wissenschaftlich kaum messen lässt.
Melatonin sollte nicht eingenommen werden
- in Kombination mit anderen Schlafmitteln oder Beruhigungsmitteln,
- bei Autoimmunerkrankungen oder schweren Grunderkrankungen,
- sowie von Schwangeren, Stillenden und Kindern unter drei Jahren.
Zudem zeigen verschiedene Studien, dass Melatonin sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die allgemeine Herzgesundheit haben kann. Da aktuell noch nicht ausreichend viele Studienergebnisse vorliegen, wird die Langzeiteinnahme von Melatonin derzeit nicht empfohlen.
Ein weiteres Problem stellen die Qualitätsunterschiede der frei verkäuflichen Präparate dar: Studien zeigen, dass der tatsächliche Melatonin-Gehalt einzelner Produkte stark schwanken kann.
Fazit
Melatonin kann beim Einschlafen helfen – aber nicht jedem und jeder, und nicht in jeder Situation. Wer unter dauerhaften Schlafproblemen leidet, sollte immer ärztlichen Rat suchen und abklären, welche konkreten Ursachen hinter den aktuellen Beschwerden stecken.
Wir unterstützen unsere Patientinnen und Patienten dabei, ihren Schlaf besser zu verstehen und die richtige Therapieform zu finden: individuell, wissenschaftlich fundiert und ohne falsche Versprechen.
Bei Fragen oder Interesse an einer individuellen Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung – vereinbaren Sie einfach einen Termin.
Literaturverzeichnis für Interessierte:
- Ferracioli-Oda E, Qawasmi A, Bloch MH. Meta-Analysis: Melatonin for the Treatment of Primary Sleep Disorders. PLoS ONE, 8(5): e63773, 2013.
- Savage RA et al. Melatonin. StatPearls – NCBI Bookshelf. Stand: 2024.[pmc.ncbi.nlm.nih]
- Mayo Clinic: Melatonin – Usage, Side Effects, and Safety Update 2025.[mayoclinic]
- Moon E et al. Role of Melatonin in the Management of Sleep and Circadian Rhythm Disorders. Front Psychiatry, 2022.[pmc.ncbi.nlm.nih]
- American Academy of Sleep Medicine. Clinical Practice Guideline for Circadian Sleep-Wake Disorders. J Clin Sleep Med, 2015.[jcsm.aasm +1]
- National Center for Complementary and Integrative Health: Melatonin – What You Need To Know, 2019.[nccih.nih]
- NHS UK: Who can and cannot take melatonin, 2024.[nhs]
- Statista: Sleep Aids Market Germany, 2025.[statista]
- Future Market Insights: Melatonin Products Market Germany, 2025.[futuremarketinsights]
- Grigg-Damberger MM et al. Poor Quality Control of Over-the-Counter Melatonin. J Clin Sleep Med, 2017.[jcsm.aasm]
- Segovia-Roldan M, Diez ER, Pueyo E. Melatonin to Rescue the Aged Heart: Antiarrhythmic and Antioxidant Benefits. Oxid Med Cell Longev. 2021 Mar 13;2021:8876792. doi: 10.1155/2021/8876792. PMID: 33791076;
- El uso de suplementos de melatonina a largo plazo para favorecer el sueño podría causar efectos adversos para la salud. Sesiones Científicas del 2025 de la American Heart Association, resumen MP2306